02.09.2025

Hochstapler-Syndrom

Selbstzweifel untergraben Erfolge

iStock, Boris Jovanovic

Gerade jetzt in der Mega-Krise sind selbstbewusste und resiliente Unternehmer, Führungskräfte und Mitarbeiter wichtig, die zusammenstehen und im Team den Widrigkeiten der Märkte trotzen. Alle Kräfte müssen mobilisiert werden. Selbstvertrauen statt Selbstzweifel sind notwendig. Zu diesem Thema gibt es regalfüllende Managementliteratur. Ein wenig bekannter Nischenaspekt ist das sogenannte Hochstapler-Syndrom, an dem auch nicht wenige erfolgreiche und kompetente Menschen leiden.

Begriff

Das Hochstapler-Syndrom, auch Imposter-Syndrom genannt, ist ein psychologisches Phänomen, bei dem erfolgreiche Personen trotz objektiver Leistungen und Qualifikationen an sich selbst zweifeln und glauben, ihre Erfolge seien unverdient. Die Betroffenen schreiben ihre Leistungen meist äußeren Faktoren wie Glück, Zufall oder einer Täuschung der Umgebung zu, anstatt sie ihren eigenen Fähigkeiten zuzuschreiben. Eine zentrale Angst ist, als „Betrüger“ oder „Hochstapler“ entlarvt zu werden, obwohl es keine objektiven Hinweise für mangelnde Kompetenz gibt.

Typische Merkmale

  • Chronische Selbstzweifel: Ständiges Hinterfragen der eigenen Kompetenzen und Erfolge.
  • Angst vor Entlarvung: Die Sorge, andere könnten die „Inkompetenz“ entdecken.
  • Perfektionismus und Überarbeitung: Menschen neigen dazu, übermäßig zu arbeiten, um ihre vermeintlichen Mängel zu kompensieren.
  • Schwierigkeiten, Lob und Anerkennung anzunehmen: Komplimente oder positives Feedback werden oft abgewertet oder auf äußere Umstände zurückgeführt.
  • Vermeidung neuer Herausforderungen: Angst zu versagen oder „aufzufliegen“ führt manchmal dazu, dass Betroffene neue Möglichkeiten meiden.

Gesellschaftlicher Kontext und Verbreitung

Das Imposter-Syndrom ist kein offizielles Krankheitsbild, wird aber in der Psychologie ernst genommen, da es das Wohlbefinden und die persönliche Entwicklung stark beeinträchtigen kann. Es tritt unabhängig von Geschlecht, Altersgruppe oder sozialem Hintergrund auf, kommt aber vermehrt in Leistungskontexten (z.B. beruflichem Umfeld, Studium) vor. Es entsteht aus einem komplexen Zusammenspiel verschiedener Ursachen, die auf individueller, familiärer, gesellschaftlicher und teilweise auch biologischer Ebene liegen.

  • Familiäre Prägung und Kindheit: Viele Betroffene wuchsen in Familien auf, in denen Leistung und Erfolg einen besonders hohen Stellenwert hatten. Daraus kann sich ein leistungsabhängiger Selbstwert entwickeln – das Gefühl, nur dann wertvoll oder geliebt zu sein, wenn große Leistungen erbracht werden. Auch übermäßiges Lob, aber auch übermäßige Kritik in der Kindheit, können dazu führen, dass Kinder Schwierigkeiten haben, die eigene Leistung realistisch einzuschätzen.
  • Persönlichkeitsmerkmale: Stark perfektionistische Ansprüche an sich selbst verstärken das Gefühl, nie gut genug zu sein und Erfolge nicht verdient zu haben.  Anfällig sind auch Menschen mit niedrigem Selbstwert oder einer Tendenz zu Angststörungen.
  • Gesellschaftliche und soziale Faktoren: In wettbewerbsintensiven Umgebungen – etwa in Beruf, Studium oder Forschung – ist das Imposter-Syndrom besonders häufig. Auch Veränderungen wie Beförderungen oder neue Umfelder können eine Rolle spielen. Auch ständige Vergleich mit (vermeintlich) kompetenteren Kollegen kann Unsicherheiten schüren.

Gegenstrategien

Unternehmen können das Hochstapler-Syndrom vor allem bei ihren Führungskräften gezielt adressieren und präventiv schwächen, indem sie auf individueller, kultureller und struktureller Ebene ansetzen.

  • Offene Gesprächskultur: Führungskräfte sollten das Thema offen ansprechen, denn bereits die Erkenntnis, dass viele darunter leiden, wirkt entlastend und senkt den Druck. Wenn Führungskräfte ihre eigenen Unsicherheiten teilen, wird das Syndrom enttabuisiert und kollektive Lernprozesse werden möglich.
  • Konstruktives Feedback: Durch differenzierte und faktenorientierte Feedbacks können Erfolge als eigene Leistung erkannt und verinnerlicht werden. Lob sollte sich auf konkrete Taten und Meilensteine beziehen, nicht nur auf allgemeine Wahrnehmungen. Das regelmäßige Festhalten von Erfolgen stärken das Selbstvertrauen nachhaltig.
  • Positive Fehlerkultur: Eine Kultur, in der Fehler und Rückschläge als Lernchancen begriffen werden, nimmt den Druck zur Perfektion und minimiert Selbstzweifel.
  • Vorbildfunktion: Führungskräfte sollten selbst offen mit Fehlern umgehen und Überarbeitung oder Perfektionismus nicht als Tugend ausstellen.
  • Realistische Zielsetzung: Ziele sollten erreichbar und individuell abgestimmt sein. Unrealistische Anforderungen steigern die Gefahr für das Hochstapler-Syndrom und führen zu Überforderung.
  • Entwicklungsangebote: Trainings, Workshops oder Reflexionsübungen, bei denen Lernen statt Makellosigkeit im Fokus steht können das Selbstbewusstsein stärken.

Unternehmen sind gut beraten, eine Kultur der Wertschätzung, Fehlerfreundlichkeit, offenen Kommunikation und gezielten Förderung einzuführen. Führungskräfte sollten lernen, eigene Stärken realistisch einzuschätzen, Erfolge anzuerkennen, Unterstützung anzunehmen und Vorbild in Sachen Offenheit und Umgang mit Unvollkommenheit zu sein. So lässt sich das Hochstapler-Syndrom nachhaltig und wirksam bekämpfen.

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